Lenz

nach Georg Büchner

Fotos © Yuryi Ogarkov

Sa

"Den 20. ging Lenz durchs Gebirg..."

Vor mehr als 170 Jahren schrieb Büchner seinen berühmten Prosatext "Lenz", der vom sinnverwirrten Schriftsteller Jakob Lenz handelt,
und wie dieser im Bergdorf Waldbach seelische Zuflucht sucht. Auf unterschiedlichste Weise versucht er in dem winterlichen Ort dem seinem heftigen Angstwahn zu entkommen.

Auch in der Kunst und der Literatur sucht Lenz immer wieder nach metaphysischem Halt: Shakespeare, Goethe, Die Bibel. Ob ihm auch die Lektüre von Büchners Lenz geholfen hätte?

Der Erzähltext gilt schließlich als ein Meilenstein der deutschen Literatur. Seit seiner Entstehung streitet man sich um diesen Text. Ist er Fragment, Novelle, gar ein Plagiat? Und wie ihn durchdringen? Mit Reclamheften im Gymnasium wird es versucht, auf der Universität,an sämtlichen Theatern der Republik und nun eben unter dem ranzigen Ex-Nokia-Bahnbogen in der Rottstr. 5.

Auch hier begann alles mit einem gelben Heft

Eine Produktion des Rottstr 5 Theaters

Von und mit Linus Ebner

Textfassung Linus Ebner, Jasmina Dittrich, Simon Krämer, Victoria Fritz
Assistenz Jasmina Dittrich, Victoria Fritz
Licht Simon Krämer
Fotos Yuryi Ogarkov
Produktion Hans Dreher, Oliver Paolo Thomas

Dauer: ca. 70 Minuten


Pressestimmen

Als jage der Wahnsinn auf Rossen hinter ihm - so gehetzt spielt Linus Ebner in seiner eigenen szenischen Einrichtung diesen Lenz: Er springt über die Schnur des Mikrofons, das seine Worte ab und zu akustisch verstärkt, und der Wahnsinn scheint ihm aus den Augen zu schauen. Ebner spielt expressiv, mit Mut zur Hässlichkeit, gelegentlich auch zur Albernheit - aber auch voller Schönheit und Charisma. Mit großer Suggestivkraft spricht er Büchners sprachgewaltige Naturbeschreibungen, schildert er die autoaggressiven Schübe des Protagonisten, die Angststörungen und Panikattacken. Eine Schaukel, auf der Ebner wieder und wieder herumturnt, dient nicht der Entspannung, sondern wohl eher als Metapher für das Schwanken der Welt, das der Dichter am Beginn seiner Schizophrenie empfindet.

Langweilig wird dem Zuschauer sicher nicht an diesem perfekt zwischen Tempo und Nachdenklichkeit changierenden Abend, der sich bei nur geringfügigen Kürzungen eng an Büchners Original-Text hält und bei dem man doch mitempfindet, wie Welt und Inszenierung sich nach und nach in Hieroglyphen verwandeln. „Hören Sie denn nicht die entsetzliche Stimme, die um den ganzen Horizont schreit und die man gewöhnlich die Stille heißt?“, fragt der verzweifelte Lenz den gütigen Oberlin, bevor dieser ihn nach Straßburg bringt. Dort lebt er denn dahin in seiner Leere. Betroffen hören wir den Schlusssatz dieser Inszenierung, bevor wir lange applaudieren. (Theater Pur)

Ebner hat nicht nur die Textfassung erarbeitet und dabei clever montiert und gestrichen, sondem zeichnet auch für die Regie verantwortlich. Er rezitiert in einer Art und Weise, die der Schönheit der Sprache Rechnung träg und findet zugleich wunderbar abstruse Bilder, um die Geschehnisse der Novelle in Szene zu setzen. Ebner wird zu Jakob Michael Reinhold Lenz, der Büchner als Vorlage diente.

Lenz litt an einer paranoiden Schizophrenie und Büchner als Arzt an allem Pathologischen interessiert, beschreibt die Lebensphase, in der die Krankheit zum ersten Mal ihr furchtbares Gesicht zeigt. Doch Ebner macht daraus kein Betroffenheitstheater. Im Gegenteil, neben stillen und beklemmenden Momenten hat er viele lustige ldeen, um Lenz' Ausbrüche zwischen Wahnsinn und tiefster Depression zu bebildem. Und so gerät dieser Abend zu einem urkomischen und phantasievollen Psychogramm. Am Ende verlässt man das Theater glücklich. Linus Ebner gehört zu den wirklich Guten, und man darf auf seine künftigen Projekte gespannt sein. (WAZ)