
Das grosse Heft
von Ágota Kristóf | in einer Fassung von Martina van Boxen
Fotos: © Jonas Domrath
"Wir kommen aus der Großen Stadt. Wir sind die ganze Nacht gereist. Unsere
Mutter hat rote Augen. Sie trägt einen großen Karton und jeder von uns
beiden einen kleinen Koffer mit seinen Kleidern."
Es ist Krieg. Die große Stadt wird bombardiert. Zwei Kinder werden aufs Land geschickt. Bei ihrer Großmutter sollen die Zwillinge bis zum Ende des Krieges bleiben. Doch das Leben im Dorf ist erbarmungslos, die Großmutter ist hart – zu ihnen und zu sich, und die beiden Kinder beginnen sich diesem Umfeld anzupassen. Fernab von der Schule bringen sie sich selbst bei, was sie fürs Überleben brauchen: Sie härten ihre Körper mit Schlägen ab, den Geist mit Schimpfworten. Was anfangs noch wie Kinderspiele anmutet, dient bald nur noch dazu, sich zum Überleben zu wappnen, in einer vom Krieg zersetzen Gesellschaft.
Die Kinder werden bald zu selbstständigen Akteuren im Dorfgeschehen und beobachten ihre Umwelt, machen sich Schwachstellen zunutze, lernen sich zu wehren und entwickeln dabei ihre ganz eigenen Moralvorstellungen. Wie ein Magnet werden die Dorfbewohner von den Kindern angezogen, die, fasziniert von der scheinbar kindlichen Unschuld inmitten des Krieges, erst bei den Jungen ihre Verletzlichkeit und Weichheit zulassen können.
In präzisen Sätzen schildert Ágota Kristófs in ihrem 1987 erschienenen Debutroman die Lebensgeschichte zweier Brüder, bei der Realität, Fiktion und Lüge nah beieinander liegen. Mit schlichter, klarer Sprache protokolliert Agota Kristof dabei ergreifend und ungeschönt eine Kindheit, die nichts Idyllisches hat. Sie zeichnet das Schicksal zweier im Krieg heranwachsender Zwillingsbrüder, die in einer schlechten Welt auf erstaunlich mutige Weise ums Überleben kämpfen. Dabei gelingt Kristóf schonungslos, doch niemals moralisch eine Geschichte über die Selbstermächtigung zweier Kinder, in einer verrohten Welt, die sich, unter aller Härte, nach Wärme und Geborgenheit sehnt.
„Ihr zentrales Werk DAS GROSSE HEFT, legt die Nerven blank, es öffnet den Zugang zu Schrecken, Ekel und Schmerz, doch rührt es ebenso an unsere Fähigkeit zu Liebe und Freiheit.“ (Süddeutsche Zeitung)
Eine Produktion des Rottstr 5 Theaters
Mit Lea Kallmeier, Alexander Ritter
Regie Martina van Boxen
Musik Manuel Loos
Assistenz Rebecca Jooß, Carmelina Kißel
Ausstattung Michael Habelitz
Produktionsleitung Stanislav Otremba
Licht Martina van Boxen, Stanislav Otremba
Produktion Oliver Paolo Thomas, Alexander Ritter
Basierend auf der Trilogie „LE GRAND CAHIER“ von AGOTA KRISTOF
© Editions du Seuil
Pressestimmen
Ein großer, harter Abend. (WAZ)
Das ist absolut sehenswert – und lässt die Zuschauer so schnell nicht wieder los. (WAZ)
Regisseurin Martina van Boxen entscheidet sich für einen mutigen Weg, der ihren beiden Akteuren einiges abverlangt. Als Zwillingspärchen erzählen sie die in kurzen, harten Sätzen geschriebene Geschichte nach, in dem sie den Text von Anfang bis Ende chorisch, also gleichzeitig sprechen. (WAZ)
Jeder Satz, jede Geste, jeder Schritt über die Bühne ist exakt einstudiert und gehorcht einem zuvor genau festgelegten Rhythmus, der durch die Musik von Manuel Loos noch verstärkt wird. Beim Zuschauen kann man nur erahnen, was für eine immense Arbeit dies während der Proben gewesen sein muss – und auch den beiden Schauspielern ist die volle Konzentration, die dieses Spiel während der knapp 100 Minuten erfordert, anzumerken. (WAZ)
Trotz aller Schwere und der eisigen Atmosphäre, die diese Inszenierung auszeichnet, macht es eine riesige Freude, Lea Kallmeier und Alexander Ritter bei ihrem darstellerischen Parforceritt
zuzuschauen. Ein donnernder Schlussapplaus ist der verdiente Lohn. (WAZ)
Gefördert durch die IngWer-Stiftung Bochum.